K wie Gerechtigkeit

 

K leben am

L eben

I n den Weg setzen

M enschenrechte einfordern

A ufstand der letzen Generation vor den Kipppunkten

 

Die Köhlbrandbrücke  im Hamburger Hafengebiet war ein bevorzugter Blockadeort für uns Klimaschutz-Engagierte (2*)  in Hamburg. Denn dort störte es vor allem den Verkehrsfluss der neokolonialen Umschlagsgeschäfte und damit empfindlich den Wirtschaftsstandort Hamburg. Zum Leidwesen der (wirklich bedauernswerten) LKW-Fahrer (ja hier passt die männliche Form) und zum großen Ärger von Bürgermeister und stellvertretender Bürgermeisterin. Letztere machte zwar gerne einen auf ganz dicke mit den „fridays“ (…for future) und  lässt sich bei Klimademos mit strahlendem Lächeln vorm Schriftzug „Wir alle für 1,5°“(3*) ablichten. Wenn es aber konkret darum geht Klima- und Wirtschaftsinteressen gegeneinander abzuwägen, bevorzugt sie  (ihr Chef sowieso) wie gehabt die der Wirtschaft.

 

Also da ansetzten wo es weh tut, den Protest ohne Störung ist wie Klimaschutz ohne Treibhausgasreduzierung.

 

Die Brücke ist ein beeindruckendes Bauwerk, über Hamburg hinaus bekannt, abgesehen von Ausnahmeevents sind dort nur Autos zugelassen, den Ausblick über den Hafen und die Elbe zu genießen. Allein dieser Umstand fordert dazu auf die Dinge vom Kopf auf die Füsse zu stellen und die Brücke für den Autoverkehr zu schließen und für Zufussgehende und andere Minderheiten zu öffnen.

 

Bestimmt um die 10x fand in den letzten Jahren schon eine Blockade auf der Brücke statt, mal mit vielen, mal mit wenigen, mal mit einem Boot auf der Fahrbahn, mal mit „lock-ons“(4*) also Menschen die sich mit Ketten oder (Arme in-)Eisenrohren dort festketteten. Später dann die berühmten Klebeblockaden.

 

Die logistische Herausforderung bestand jeweils darin auf die Brücke zu kommen und sich dort auf die ein oder andere Art festzusetzen, bevor die Polizei abräumte, falls sie nicht vorher schon Verdächtige daran gehindert hatte auf die Brücke zu fahren oder zu gehen.

Kein Wunder also, dass die Polizei ein scharfes Auge auf die Zufahrt geworfen hatte, als mal wieder eine Aktionswoche für Klimagerechtigkeit in Hamburg stattfand.

 

Ich war als Fahrerin unterwegs, um vier Engagierte dort hinauf zu fahren, aber es waren vor uns schon andere abgefangen worden. Anscheinend wurden alle Autos mit mehr als zwei Insassen von der Polizei überprüft, so dass es ziemlich aussichtslos erschien an der Kontrolle vorbei zu kommen. Vor allem weil  einer der Protestler X. war, ein besonders Engagierter und damit der Polizei doch recht Bekannter, ein anderer meiner Fahrgäste Y. sehr groß und auffällig, ebenso ein Blickfang.

Da standen wir nun, in einer sackgassigen Seitenstr. im Hafenrandgebiet und beratschlagten uns.(Ich war nicht ganz traurig bei der Aussicht, dass mir die Fahrt über die Brücke erspart bleiben könnte. Eigentlich finde ich Auto-fahren furchtbar, an einem Freitag -Nachmittag  in einer deutschen Großstadt so ziemlich das Allerletzte. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ich alte Autohasserin,  zum höheren Ziel des Klimaschutzes, ausgerechne als Fahrerin tätig war.

Drei meiner Gefährten plädierten, ebenso wie ich, für Abbruch, nur X. meinte es wäre doch ein Erfolg wenn zu den zwei Autos wir auch noch abgefangen und eingesperrt werden würden (wie es eben unseren Voranfahrenden ergangen war-sie saßen nun in Präventivgewahrsam, auch die Autos waren festgesetzt). Ein interessantes Verständnis von Erfolg. Je mehr eingesperrt werden umso erfolgreicher die Aktion. (In meinen jungen Jahren haben wir es umgekehrt gesehen.) Ein Prinzip das später im Konzept der letzten Generation vor den Kipppunkten (5*).konsequent weiter verfolgt wurde. Es setzt auf die Hoffnung, dass ab einer gewissen Masse das Repressionssystem überfordert ist, allerdings waren wir damals davon weit entfernt. Das deutsche Repressionssystem ist nicht leicht zu überfordern (im Gegenteil die Mühlen mahlen langsam, aber sehr gründlich), da müssen schon noch einige mehr mit dran arbeiten.

 

So oder so, X. wurde überstimmt und wir fuhren zurück ins Zentrum um zu gucken was da so geht. Die Rohre, die eigentlich dazu gedacht waren sich auf der Brücke möglichst langfristig anzuketten, packte ich zurück in den Kofferraum. (Sie lagern immer noch in meinem Keller, denn nun folgte die Geburtsstunde des Klimaklebens.)

 

Da auch in der City eine recht hohe Polizeipräsens dafür sorgen sollte jeglichen widerständigen Proteste zu unterdrücken, wären die recht großen Rohre wahrscheinlich aufgefallen und die Aktion frühzeitig unterbunden worden.

Nach einigem Hin- und Her, teilte mir meine Fahrgäste mit, dass sie sich für eine andere Aktionsform entschieden hätten und sie die Rohre nicht mehr brauchen.

 

Am Abend klebten dann 25-50 Klimaschutz-Engagierte auf der Straße vorm Schanzenbahnhof.

 

Eine wirklich gelungene, lang andauernde Blockade, umgeben von größtenteils wohlwollend interessiertem Partyvolk. Besonders erfreulich war die Ermutigung von einem Mann der vorbei kam und rief: „Macht weiter so, ich bin selbst LKW Fahrer, trotzdem - blockiert weiter, auch auf der Köhlbrandbrücke!“

 

Das war im Frühsommer 2021, Ende des Jahres dann folgte der erste Hungerstreik für Klimagerechtigkeit in Berlin. Das Leben zu riskieren um öffentlich mit dem Kanzler zu sprechen, ein extrem hoher Einsatz. Es hat funktioniert, aber das Verhältnis von Einsatz und Ergebnis war schon krass.

 

Hat allerdings dazu geführt, dass der  Aufstand der letzten Generationv vor den Kipppunkten gegründet wurde, von 24 Menschen, die dann Anfang 2022 damit begannen sich auf die Straße zu kleben. Was für eine Entschlossenheit und was für ein Mut. Zwei Jahre lang ging es weiter damit, nach und nach haben sich immer mehr (Hunderte, Tausende) angeschlossen. Ich ebenso, vorläufig aus der Ferne, in der zweiten Reihe, denn erstmal fanden alle Aktionen in Berlin statt. Außerdem habe ich, im Grunde meines Herzens, extreme Angst vor Auto‘s, bzw. vor Autofahrenden. Also schon im normalen Alltag scheinen mir diese oft gemeingefährlich wenn ich als Fahrradfahrerin unterwegs bin und mir die Straßen mit ihnen teilen muss. Sich Auto’s in den Weg zu setzten und zu riskieren überfahren zu werden erfordert, in meinen Augen, allergrößten Mut. Den ich nur ab und an aufbringe. Im Nachgang kommt dann die Repression durch Polizei und Justiz dazu. Das alles auf sich zu nehmen setzt das Prinzip von extrem hohen, persönlichen Einsatz konsequent fort. Inwieweit die Menschen damit aufgerüttelt und mit dem existentiellen Problem der Klimakrise zu konfrontiert wurden (?) Das lässt sich wahrscheinlich erst in einigen Jahren beurteilen, wenn die Sprache der Natur noch deutlicher geworden ist (ob und für wen es dann zu spät sein wird? ). Erschreckend mit welcher Vehemenz die Propaganda gegen die "Klimakleber" gefahren wurden. Keine Ablenkungsdebatte war zu blöd, um sich nur ja nicht mit der Forderung, nach notwendigen politischen Maßnahmen für konsequenten Klimaschutz, beschäftigen zu müssen.

 

Ich sehe nach wie vor kaum Alternativen zum  zivilen Ungehorsams. Hätte ich mir in jungen Jahren nicht träumen lassen, dass ich mal bei so einem Widerstandskonzept mitmache. Hätte mir aber auch nicht träumen lassen, dass die Menschheit in Gefahr läuft sich (auf diese Art) selbst abzuschaffen: Quasi kollektiver Selbstmord aus der Bequemlichkeit heraus, nicht auf das Verbrennen von fossiler Energie zu verzichten  (wie Klimaexperte Schellnhuber treffend festgestellt hat). Die angemeldeten Großdemonstrationen der "fridays" haben viel Bewusstseinswandel erreicht, aber nicht die nötigen politischen Veränderungen. Irgendwie hängen alle mit drin und sind alle sowohl Teil der Lösung als auch des Problems. Wobei die Verantwortung und das Ausbaden extrem ungleich verteilt sind. Es ist sehr ungerecht, dass einige viel (fossile) Energie verbrauchen und andere schon heftig unter den Folgen, dieses Energieverbrauchs, leiden. Selbst wenn es für manche fern liegt, aus Solidarität mit Menschen im globalen Süden, für Klimagerechtigkeit einzutreten. Zumindest die Liebe zu den eigenen Kindern und Enkeln sollte Grund genug sein. Wir brauchen struktuelle politische Veränderunge und ziviler Widerstand hat das größte Potential strukturell etwas zu verändern (6*).

 

Natürlich war  (und ist) es umstritten, ob es wirklich Sinn macht, willkürlich irgendwelche Autofahrenden zu blockieren. Die Einzelnen sind ja nicht verantwortlich zu machen und haben mitunter gute Gründe mit dem Auto unterwegs zu sein. Grade für die LKW Fahrer hat es mir wirklich sehr leid getan und ich  hatte anfangs meine Zweifel an dieser Protestform. Gleichzeitig geht es eben darum: Den ganz normalen  -Co2 produzierenden- Alltagswahnsinn (und die Blechkolonnen auf deutschen Straßen sind der blanke Wahnsinn!) zu unterbrechen, um deutlich zu machen:  So kann es nicht weiter gehen!

 

Es geht nicht „nur“ um‘s Klima, es geht um…

 

G enerationen-nachfolgende

E rde

R ebellion

E hrlichkeit

C hancengleichheit

H offnung

T eilen

I nternationale Solidarität

G rundgesetz

K reislaufwirtschaft

E rnährungssicherheit

I n der ganzen Welt

T ransformation

 

…und noch viel mehr. Es geht um alles.

 

 

*2

Unsere Vordenkerin Lea Bonasera empfiehlt den Gebrauch der Bezeichnung „Protestierende“ statt „Klimaaktivisten“, weil das anscheinend besser ankommt.  Allerdings verharmlost es auch ein wenig, da Protest allein bekanntermaßen nicht reicht, etwas Widerstand muss schon sein und grade die letzte Generation hat sich ja auf zivilen Widerstand spezialisiert, daher benutze ich das Wort „Engagierte“.

*3

“Wir alle für 1,5°“malten die friday for future 2020 auf die Mönckbergstr. in Hamburg, ein Appel diese Obergrenze einzuhalten, es hat nur leider nicht funktioniert: die 1,5° Grenze, die im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbart wurde, ist mittlerweile gerissen.  Es nützt halt wenig wenn  politisch Mächtige lächelnd ihre Zustimmung signalisieren, aber bei der praktischen Umsetzung kneifen, wie es grade auch in Hamburg passiert.

*4

lock on=eine Form des zivilen Widerstandes um Blockaden in die Länge zu ziehen, indem Menschen sich mit Ketten oder eben indem sie ihre- in Eisenrohren steckenden- Arme an Geländer o.ä. festmachen.

*5

Das Konzept der letzten Generation sieht vor zu stören um Druck aufzubauen. Dabei mit Name und Gesicht zu der störenden Handlung zu stehen und etwaige Repression (die in der Regel durchaus zu erwarten sind) auf sich zu nehmen. Dies geschieht in der Hoffnung, dass a) die Ernsthaftigkeit des Anliegens wahrgenommen wird, b) der Gerichtssaal als weitere Bühne genutzt wird, c) der Rest der Gesellschaft merkt wie ungerecht es eigentlich ist (dass Menschen eingesperrt werden die sich selbstlos engagieren, während andere die aufgrund von Profitinteressen das Klima ruinieren frei herum laufen) und d) dass ab einer gewissen Masse das Repressionssystem überfordert ist.

Zugegebenermaßen ein sehr anspruchsvolles Konzept, nicht für jede*n machbar, aber unterstützbar durchaus.

*6

Sicherlich gibt es auch andere Protestformen : angemeldete Demonstrationen, militante Aktionen, Kunstaktionen....

Den eigenen ökologischen Fussabdruck (incl. Co2 Bilanz) möglichst gering zu halten ist einerseits gut, anderseits lassen sich viele Menschen dadurch von strukturellen Missständen ablenken und von den ganzen greenwashing- Lügen einlullen. In  Ökodorfprojekte u.ä. kann ein positiveres Zusammenleben erprobt werden. Persönliche Weiterentwicklung hilft besser miteinander klar zu kommen. Doch um die nötigen politischen Veränderungen zu erreichen, dafür  braucht es Widerstand.