Tropfen auf den heißen Stein - Aufstand der letzten Generation

 

 

Intro:

 

Herbst 2024, in Vorbereitung auf absurde  Hochsicherheits-Prozesse, in Itzehoe gegen einige Gefährten, beschäftige ich mich mit einer Vortragseinladung. Dabei wühle ich in meinen alten Texten und stolpere über einen aus dem Jahr 2021: „Wir haben noch Zeit bis 2030 um aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, wenn wir das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens einhalten wollen. Sonst droht der Zusammenbruch unserer Ökosysteme.“  hatte ich damals geschrieben. Hoffnungsvoll waren wir gewesen dieses Szenario, mit Hilfe von zivilem Ungehorsam, abwenden zu können. Nun im Herbst 2024 sind die 1,5 Grad zusätzlicher Erderhitzung schon über Monate überschritten. Es passiert alles noch schneller als gedacht, aber irgendwie geht es, kein totaler Zusammenbruch. War es Alarmismus? Arten sterben leise und dass die Ozeane viel zu warm sind und die Korallenriffe (und mit ihnen unzählige Arten) zugrunde gehen, scheint an den meisten Menschen vorbei zu gehen oder es tangiert sie nur begrenzt. Denn das Leben geht eigentlich recht angenehm weiter, ohne Not, zumindest hierzulande. So passiert dann eher das Gegenteil von Klimaschutz: immer mehr Autos, immer größere Autos, nach Corona wird wieder wie wild gereist und natürlich auch geflogen. Vom Luxus der Superreichen ganz zu schweigen und davon das es davon immer mehr gibt. Darüber wird viel zu viel geschwiegen. Stattdessen – die klassische rassistische Ablenkungsdebatte: Es wird so getan als sei unser größtes Problem, dass Geflüchtete zu uns kommen wollen.

 

Mit einer kleinen, aber immerhin spürbaren, weil sehr entschlossenen, Gruppe haben wir immer weiter gemacht, uns für Klimagerechtigkeit eingesetzt. Trotz Corona-Pandemie, trotz Krieg in der Ukraine und in Gaza, trotz vieler anderer drängender Probleme oder auch einfach der Versuchung sich ins Privatleben zurück zu ziehen.

 

Für Transformation totale, denn Klima -Gerechtigkeit kann es nur geben mit sozialer Gerechtigkeit und globaler Gerechtigkeit und dafür müsste sich sehr, sehr vieles ändern. Von daher ist es vielleicht nicht so überraschend auf krasse Beharrungskräfte zu treffen und auf überzogene Repression. Was seinen Teil beiträgt zu der Fluktuation der im Widerstand Engagierten. Grade jüngere Menschen kommen und gehen, eine Zeitlang geben sie alles und dann sind sie wieder weg und machen etwas anderes; soweit sie nicht in den Mühlen der Justiz zerrieben werden.

 

Es kostet verdammt viel Kraft, nicht nur der aktive zivile Ungehorsam (eine gelungene Aktion kann auch viel Kraft geben), sondern vor allem der Gesamtzusammenhang: wenn eigentlich kluge Leute immer noch meinen es sei alles halb so schlimm, wenn Gefährten wegen relativ harmloser Protestaktionen in den Knast gesteckt werden, wenn ehemalige Mitstreiter sich öffentlich distanzieren und da noch eine große Show draus machen, wenn die harten Klimafakten den Schlaf rauben – den gegen die Ignoranz und Verdrängung der Gesellschaft anzuarbeiten bedeutet ja auch immer sich selbst mit den harten Fakten konfrontieren zu müssen.

 

Tja, bis hierher sind wir der Tropfen auf den heißen Stein gewesen, haben mitunter ganz schön Dampf gemacht, aber letztlich bräuchte es einige Tropfen mehr um den immer heiser werdenden Stein, Erde, zu kühlen.

 

Weiter machen, beständig widerständig bleiben, ja, aber erstmal ein Blick zurück.

 

 

 

Ende 2022 von extincion rebellion zum Aufstand der letzten Generation,

 

„Ich fahre ohne Ticket“,

 

stand auf dem Schild mit dem ich und zwei Companeras kreuz und quer, mit der U-Bahn, durch Hamburg fuhren. „Für eine klimafreundliche und soziale Verkehrswende“ waren wir unterwegs. Dabei ein Megaphon, mit dem wir kurze Redebeiträge für kostenlosen öffentlichen Nahverkehr hielten, außerdem verteilten wir Flyer für den Aufstand der letzten Generation vor den Kipppunkten (kurz „letzte Generation“). Das war Ende 2022, ungefähr ein Jahr alt war da dieser Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung und grade dabei sich von Berlin aus über die Bundesrepublik auszubreiten.

 

Es verlief erfreulich entspannt, die meisten Leute reagierten freundlich oder gar nicht und zu unserem Erstaunen trafen wir in den ganzen 2-3 Stunden weder auf Kontrolleure noch Security-Menschen.

 

Genauso eine Aktion hatte ich schon immer mal machen wollen. Schon vor Jahren als ich mit alten Bekannten zusammen saß hatten wir, vom Alkohol beflügelt, ein offensives „schwarz-fahren“ geplant, allerdings, wie es bei solchen Kneipen- Schwärmereien so ist, diesen Plan nie in die Tat umgesetzt.

 

Nachdem ich, 2020 Teil von extinction rebellion wurde, hatte ich meinen Mit-Rebellierenden dieses Aktionsformat auch mal vorgeschlagen, nur leider keine Mitmachenden gefunden.

 

2021/22 zeichnete sich immer mehr ab, dass es mit der „rebellion“ wohl doch nicht so gemeint war. Also jedenfalls nicht wenn es schwerwiegenderen Ärger mit Polizei und Justiz nach sich zog. Etwa 2 Jahre lief es gut, mit der Mischung aus zivilem Ungehorsam und kreativen Aktionen bei extinction rebellion. Es gab Blockaden von Straßen und Brücken (wie der Köhlbrandbrücke), Besetzungen von Lobbyistenbüros, „Besuche“ von Automobilmessen und viele kreative Performances. Unvergesslich unser line dance in Tierkostümen zu „staying alive“, den wir auch als Einlage bei einer Blockade und Besetzung eines Lobbyisten-Clubs (der fossilen Energie-Konzerne) , in Berlin zu Besten gaben.

 

Doch je mehr sich die Polizei auf die Aktionsformen des zivilen Ungehorsams einstellte und auch die Justiz mit immer härteren Strafen drohte, umso weniger Menschen waren bereit diese unangenehmen Konsequenzen zu riskieren.

 

Tanz und Theater allein fühlte sich für mich auf Dauer nicht sehr wirksam an.

 

Mit dem Hungerstreik im Herbst 2021 war dann mit einer sehr viel ernsteren, dramatischen Aktionsform für mehr Klimaschutzmaßnahmen protestiert worden.

 

Und während ich 2022 in Hamburg weiterhin im Rahmen von extinction rebellion aktiv war, starteten in Berlin 24 mutige Menschen, in orangenen Westen, damit Autobahnauffahrten zu blockieren.

 

Ein Jahr später hatten sich so viele Menschen angeschlossen, dass der Aufstand letzte Generation sich von Berlin aus über die ganze BRD ausbreitete. Der richtige  Zeitpunkt für mich um einzusteigen. Der Abschied von meiner extinction-rebellion-Gruppe ist zwar nicht leicht gefallen, aber ich entschied ich mich zu dieser deutlich entschlosseneren und strukturierteren Gruppe zu wechseln.

 

„Ich fahre ohne Ticket“ war ein ermutigender Start, auch wenn wir diese Aktion des offensiven „schwarz-fahrens“, verbunden mit der Forderung das 9,- E Ticket beizubehalten, leider nicht wiederholten. Denn in dem Bewusstsein der rasant voran schreitenden Erderhitzung und den immer näher kommenden Kipppunkten agierte der Aufstand der letzten Generation sehr dynamisch, um nicht zu sagen – etwas hektisch. So wechselten Forderungen und neue Kampagnen in kürzester Zeit. Leider wechselten auch die Mitstreitenden recht häufig, da dies Art von Widerstand halt doch sehr große Einsatzbereitschaft erforderte.

 

Für mich war es konsequent, dass die letzte Generation den Widerstand als Kernaufgabe ansah und die Repression mit einkalkulierte. Als Linke erstmal gewöhnungsbedürftig, mit Name und Gesicht dazu stehen, freundlich zu Polizisten sein, aber anderseits war ich auch angetan von dieser für mich neuen Art von Widerstand. Zumal ich die Auseinandersetzungen rund um den G20 Gipfel in Hamburg als Tief- und vor allem Endpunkt linksradikaler Militanz erlebt hatte.

 

Ich kannte es  ja inzwischen schon von „xr“ (extinction rebellion) diese freundliche, bunte und fast schon therapeutische, auf jeden Fall friedliche Art zu protestieren. Mit Yoga und Singen bei den Blockaden war es allerdings beim Aufstand der letzten Generation erstmal vorbei. Fast schon militärisch, zumindest sehr durchorganisiert, war der Protest, widerständig und störend. Heftig waren auch viele Reaktionen. Um sich Aggro- Autofahrenden in den Weg zu setzen brauchte es wahrlich revolutionäre Disziplin. Ich selbst habe lange gebraucht um mich dazu zu überwinden und habe größten Respekt vor denen die damit angefangen haben.

 

Dem vorausgegangen waren viele Diskussionen, vor allem die Frage ob es angemessen und zielführend ist zufällige Durchschnitts-Menschen in ihrem Alltag zu stören, zog sich durch. Verständlicherweise blieben diese Aktionen umstritten, gleichzeitig hat dieses Aktionsformat am deutlichsten die Funktion einer Alarmglocke erfüllt. In Anbetracht dessen, dass wir alle, die wir in den Industrienationen leben, in Mittäterschaft verstrickt sind (Autofahrende sowieso) und eine enorme Verdrängung dieser existentiellen Menschheitskrise herrscht, habe ich mich davon überzeugen lassen. So krasser Protest muss(te) sein, weil die Situation in der wir uns befinden eben so krass ist, weil wir wie die bekloppten Lemminge in den Abgrund laufen. Sollte doch klar sein, dass Menschen die sich auf die Straße setzen, sich dort ankleben, das aus einen ernsthaften Grund machen. Die ausgeflippten Autofahrenden waren heftig, aber irgendwie auch nachvollziehbar genervt. So kann es nicht weiter gehen. Gegen diese einfache direkte Botschaft wurde das geballt Abwehrarsenal aufgefahren: mediale Ablenkungs- und Verunglimpfungsdebatten, Beschimpfungen von Seiten der politisch Mächtigen und Repression, Repression, Repression.

 

 

 

Anfang 2023 „Geht doch zu den Politikern“

 

Ein Satz den wir oft zu hören gekriegt haben. Als ob wir das nicht gemacht hätten. An Scholz und Co hatte sich ja der Hungerstreik im Herbst 21 gerichtet, der die Initialzündung für die Bewegung war. Nun Anfang 23 versuchten wir es auf der lokalen Ebene. Mit dem Elan der Beginnerin meldete ich mich, als gefragt wurde wer sich vorstellen kann die Regionalversammlung in Hannover zu unterbrechen um dort eine Rede über die Klimakrise zu halten. Erstaunt war ich dann bei der Vorbereitung über den strengen, recht autoritären Ton, aber auch beeindruckt über das sehr strukturierte und konzentrierte Vorgehen.

 

Das Ganze stand in Zusammenhang mit einer Kampagne, bei der versucht wurde, Bügermeister:innen dazu zu gewinnen sich hinter unsere Forderungen zu stellen. Hannover war recht erfolgsversprechend, da dort ein aufgeschlossener grüner Bürgermeister, Belit Onay, im Amt war. Eine Klebe-Straßenblockade flankierte unseren Auftritt,  die Blockade verlief entspannt da manche der Autofahrenden Sympathien bekundeten.

 

Parallel zu den beiden Aktionen fanden Gespräche mit dem Bürgermeister statt und, was wir nicht wussten, er war dabei seine Unterstützung zu zusagen.

 

Es war ein aufregender und auch ermächtigender Moment aufzustehen (im doppelten Sinne des Wortes). Ich war allerdings  schon sehr aufgeregt und dem entsprechend nicht mehr zu bremsen, leider, denn einem Abgeordneten wurde zum Geburtstag gratuliert, als ich mit dem Thema Klimakrise heraus platzte. Zusätzlich dazu, dass ich aufgestanden war, meine orange Weste angezogen und angefangen hatte zu sprechen, haben zeitgleich zwei Menschen mit Sprühkreide „Gesellschaftsrat Klima“ an die Wand gesprüht, das heißt sie wollten, aber sind nur bis  „Gesell…“ gekommen. Denn es gab schon einen ziemlichen Aufruhr und vehementes Einschreiten einiger Abgeordneter. Unsere Kreidesprühenden wurden zu Boden gerungen, während ich gegen Pfiffe, Buh-Rufe und ähnliches versuchte unser Anliegen vorzutragen.

 

Insgesamt reagierten die Abgeordneten der Regionalversammlung sehr unterschiedlich. Von Interesse und gewisser Zustimmung (Grüne und Linke) bis zu Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten (AfD).  Im Nachhinein betrachtet finde ich es eine nur mäßig gelungene Aktion. Wir hatten ihnen schon einen Schreckmoment zugemutet. Es tat mir leid, dass ich angefangen zu sprechen obwohl ein Abgeordneter Geburtstagsglückwünsche erhalten hat. Außerdem sind solche lokapolitisch Engagierten vielleicht sowieso nicht die besten Adressaten, da sie a) wenig Macht und b) es sowieso schwer genug haben. Nichtsdestotrotz gehört es eben zum zivilen Ungehorsam zu stören, zu überraschen, etwas zu tun dass erstmal als ungehörig empfunden wird. Und den perfekten Protest kann es nicht geben.

 

Die Kampagne erreichte, dass insgesamt neun Bürgermeister:innen sich hinter unsere Forderungen stellten, Hannover hatte den Anfang gemacht.

 

 

 

Frühjahr 2023: Als Hummel und Pressebiene bei den high level Protesten in Hamburg

 

In Hamburg ging es heftig zur Sache. In Hamburg sind Autofahrende gewöhnt die uneingeschränkten Beherrscher der Straßen zu sein. In Hamburg kam es im Frühjahr 2023 bei einige Blockaden zu Gewalt, teilweise brutaler Gewalt durch Autofahrende. Zum Glück gab es keine Schwerverletzten oder gar Tote, aber es war manchmal sehr knapp. Beispielsweise bei der Blockade am Gorch Fock Wall, ich war als Begleiterin, als sogenannte „Hummel“, also für Dokumentation und Zeugenschaft in der 2. Reihe mit dabei. Habe mich allerdings in einem Moment genötigt gesehen in die 1. Reihe aufzurücken und mich auf die Kühlerhaube eines Autos zu werfen, um zu verhindern, dass der Fahrer den vor ihm sitzenden Blockade-Menschen (die „Biene“) über den Haufen fährt, dieser war ja angeklebt und daher dem Auto voll ausgeliefert.

 

Krass war auch die Blockade zwischen Hauptbahnhof und Kunsthalle, bei der sich die Autofahrer gegenseitig so hochschaukelten, dass einer auf einen anwesenden Journalisten einschlug. Die „Bienen“ (die Blockade-Leute) wurden beschimpft, bespuckt, weg-gezerrt und geschlagen. Besonders beeindruckt hat mich M., welchem die Brille kaputt gemacht wurde und der nachdem er unter Drohungen an den Rand gezerrt wurde, trotzdem auf allen Vieren wieder auf die Straße zurück ging. Ein gefundenes Fressen für die Medien: Ein Video auf dem die aufgebrachten, prügelnden Autofahrer zu sehen waren, ging via Bild viral bis nach U.K. Die Schattenseite: es gab zwar viel Aufmerksamkeit, allerdings eher für die Gewaltszenen, weniger für den Grund unseres Protestes. Ein Problem, dass sich auch später durchzog.

 

Ich hatte, auch aufgrund früherer traumatischer Erfahrungen, immer sehr viel Angst vor Autos, davor überfahren zu werden, schon im normalen Stadtverkehr.  Daher konnte ich mich lange Zeit nicht zu diesem Protestformat überwinden, beziehungsweise habe eben die begleitende Aufgaben übernommen, vor allem die Pressekoordination. So gefragt wie während der high-level-Proteste, im Frühjahr 23 in Hamburg, war ich noch nie. Frau Schreiner hier, Frau Schreiner da, doch es hatte einen schalen Beigeschmack. Einige Journalisten mit denen ich zusammen gearbeitet habe waren in Ordnung, aber bei vielen war auch deutlich, dass es ihnen um die Ware Nachrichtenwert ging, nicht um den Inhalt der Nachricht. Dazu kam die Last der Verantwortung. Ich war mir bewusst, welch hohes persönliches Risiko die Protestierenden auf sich nahmen (sowohl im Hinblick auf unmittelbare Gewalt, als auch auf mögliche Repressionen), um der Gesellschaft als Feueralarm zu dienen. Mediale Aufmerksamkeit war daher wichtig. Gleichzeitig durften die Aktionen nicht gefährdet werden, also die Polizei sollte nicht vorher Bescheid wissen. Es war  eine Gradwanderung die Kommunikation so zu gestalten, dass bei den Protesten einerseits zeitnah Journalisten vor Ort waren, anderseits nicht zu viele vorher wussten wann(?)was(?)wo(?). Fast schon Panikattackenqualität hatte der Adrenalinschub, der durch meine Adern floss als ich eines Nachts merkte mein Akku ist fast leer und ich habe das Aufladekabel vergessen. Denn ein funktionierendes Handy war mein zentrales Arbeitswerkzeug. So irrte ich dann um 2h durch Hamburg-Altona auf der Suche nach einem Aufladekabel und…wer suchet…ich wurde tatsächlich fündig, in einem Hotel. Hotels haben nämlich i.d.R eine Schublade voll mit (von ehemaligen Übernachtungsgästen) vergessenen Aufladekabeln und der Portier hat mir für 10,- ein passendes überlassen. Stein vom Herz – Plumps – ich konnte meine Aufgabe, die Journalisten zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu lotsen, erfüllen.

 

Zum wiederholten Male wurde die Köhlbrandbrücke blockiert. Diese Aktion war wohl die krasseste, die ich bis dato mitgemacht habe. Denn da dieses Symbol hanseatischer Wirtschaftsmacht nicht zum ersten Mal blockiert wurde, bestand die besondere Herausforderung darin auf die, von der Polizei überwachte, Brücke zu kommen. Zu diesem Zweck fuhren wir in einem Lieferwagen darauf, was bedeutete wir saßen mit einer Gruppe von etwa 6-8 Menschen im inneren, ohne nach draußen sehen zu können. Wir sprachen auf der Fahrt über unsere Angst, denn wir hatten alle verdammt große Angst in dem dunklen Kasten; das mitteilen hat ein bisschen geholfen. Ein junger Mann weinte und sagte, dass er es eigentlcih furchtbar findet das zu machen, aber er würde sich so sehr Kinder wünschen, aber bei den Zukunftsaussichten wäre das nicht drin.

 

Sobald der Wagen auf der Brücke stoppte hieß es aussteigen und blockieren. Es funktionierte. Die Wagen dienten nicht nur als Transportmittel, sondern wurden auch in die Blockade integriert, die Schlüssel landeten in der Elbe und Menschen klebten sich an ihnen fest oder ketteten sich daran, u.a. mit sogenannten Fingerlocks. Es entstand ein Megastau in beide Richtungen. Die gestauten, bedauernswerten LKW Fahrer waren verständlicherweise stinksauer. Es war heftig. In dieser Phase war das Ziel eine nicht ignorierbare Störung zu erzeugen, um die Verdrängung zu durchbrechen. Denn das massenpsychologische Verdrängungsphänomen war und ist wohl das größte Hindernis für angemessene Klimaschutzmaßnahmen. Sicher, gibt es Interessen der fossilen Industrien, die Verdrängung massiv zu fördern, trotzdem scheint es eben auch ein sehr verbreitetes Bedürfnis danach zu geben, zu verdrängen. Verständlich, wer beschäftigt sich schon gerne mit dem Tod. Noch unvorstellbarer der Tod, das Aussterben der eigenen Art. Den Abwehrimpuls spüre ich ebenfalls und schwanke immer wieder zwischen Grauen und „ach was - das kann doch gar nicht sein“ wenn ich mich mit  harten Klimafakten beschäftige. Das erklärt für mich auch die Aggression, mit der auf unsere Blockaden reagiert wurde. Klar, nervt es nicht weiter fahren zu können, aber anscheinend nervt es besonders in Kombination mit der unerfreulichen Botschaft, dass es so nicht weiter gehen kann.

 

Der Protest war unignorierbar. Ebenso die darauf folgenden Blockaden von Elbbrücken und Elbtunnel, bei denen es leider wieder zu gewaltsamen Angriffen auf die Protestierenden kam. Dem am Boden liegenden A. wurde mehrmals in den Bauch getreten. Als ich mich später erkundigte wie es ihm geht, sagte er okay und war voller Hoffnung durch seinen aufopferndem, gewaltfreien Einsatz zur weiteren Mobilisation für Klimaschutz/Klimagerechtigkeit  beigetragen zu haben. Und ja, der Protest machte  uns und unser Anliegen bekannt, so gesehen war ein Zwischenziel erreicht.

 

 

Frühsommer 2023: Frauen Blockade

 

Nachdem ich so oft mutige Menschen bei ihrem Protest begleitet hatte, wollte ich die Grenzen meiner Angst überwinden, zumindest etwas, und mich selber auf die Straße kleben. Die nötige Motivation hatte ich dann, bei der Gelegenheit an einer Frauen-Blockade teilzunehmen. Glücklicherweise war diese auf einer Straße mit vergleichsweise geringem Autoverkehr. Allerdings war die Polizei vorgewarnt und so schnell dabei uns von der Straße zu ziehen, dass es mit dem Ankleben nicht geklappt hat. Unsere Bienenkönigin (Gruppenleiterin) war trotzdem zufrieden, denn wir hatten unsere Bereitschaft zum Widerstand deutlich gemacht; dass dabei nicht immer jede Protestaktion nach Plan verläuft war eher zweitrangig. Ich war auch zufrieden, darüber dass ich mich trotz meiner Angst (von Autos überfahren zu werden) überwunden und gemerkt hatte – geht ja.

 

 

 

Frühsommer 2023 Protestmärsche und wilde Bienen

 

Da nicht nur ich, sondern so einige, sich mit den Klebeblockaden schwer taten, aber sich gerne aktiv beteiligen wollten, wurde ein neues Protestformat eingeführt: die Protestmärsche. Im Unterschied zu der klassischen Demonstration waren diese nicht beim Ordnungsamt angemeldet. Außerdem durch entsprechende Banner und orange Westen deutlich als Teil vom Aufstand letzte Generation erkennbar. Für mich eine sehr passende Aktionsform, da ich sehr viel lieber in Bewegung bin als zu sitzen.

 

Die Protestmärsche sollten vielen Menschen eine niedrigschwellige, aber dennoch widerständige Möglichkeit bieten, sich zu beteiligen. Das Problem war die Polizei, besonders die Polizei in Hamburg. Obwohl es eigentlich vom Versammlungsrecht geschützt ist auf die Straße zu gehen, auch ohne Anmeldung, neigt die Polizei in Hamburg dazu einen sofort rabiat daran zu hindern. Von daher sollten sie möglichst nicht vorher schon wissen - wann und wo. Gleichzeitig sollten aber viele Menschen davon erfahren, um sie zur Beteiligung zu mobilisieren. Diesen Balanceakt versuchten wir über halbwegs geschützte Chat-Gruppen zu lösen.

 

Nachdem es eine Repressionswelle inklusive Kontobeschlagnahmung und  Hausdurchsuchungen gegen führende letzte Generations-Engagierte gab, unterstützen zumindest Teile der Klimagerechtigkeitsbewegung und einige Linke uns. Wobei es grade mit Letzteren doch deutliche Unterschiede in der Protestkultur und vor allem dem Verhältnis zur Polizei gab. Nachdem wir mit einem Protestmarsch bei einer Solidaritätskundgebung ankamen, wurde unserer Sprecherin das Mikro gereicht. Als sie sich dann bei der Polizei bedankte, dafür dass sie uns diesmal eben nicht von der Straße geschubst hatten, zuckte der gesammelte schwarze Block in Zivil zusammen und rollte mit den Augen. Deren Sprecherin stellte dann auch klar, dass sie das ganz anders sieht und Polizisten grundsätzlich als Gegner betrachtet. Da ich mit beiden Welten vertraut bin, hielt ich zum Schluss auch noch eine kurze Rede die sich auf das Verbindende konzentrierte: Widerstand für  (Klima-) Gerechtigkeit. Wobei eine angemeldete Kundgebung in einem Park nun auch nicht gerade der Gipfel kämpferischer Entschlossenheit ist, aber immerhin solidarisch.

 

Ich habe in dieser Zeit an bestimmt 10 -15 Protestmärschen in Hamburg und Berlin teilgenommen, einige habe ich auch mitorganisiert und angeleitet. Allerdings in Hamburg waren sie auf Dauer nicht durchführbar, weil die Polizei dann recht bald zur harten Hamburger Linie zurück fand. Da war der Dank doch etwas vor schnell gewesen.

 

Parallel zu den Protestmärschen und Blockaden gab es im Sommer 2023 einige spektakuläre Wildbienenaktionen. Diese richteten sich gegen den hemmungslosen Energie- und Ressourcenverbrauch der Reichen & Superreichen und fanden nahliegenderweise  vor allem auf Sylt statt. Dort wurde ein Privatjet mit oranger Farbe eingesprüht; es wurden Pflanzen zur Renaturierung auf einen Golfplatz gepflanzt und eine Luxusbar kriegte auch etwas Farbe ab. Als Reaktion wurde auf Sylt dann eine Art Bürgerwehr gegründet und Rockerbanden angeheuert, um sie  auf die Klimaaktivisti zu hetzen und sie zu verprügeln. Diese waren inzwischen aber woanders aktiv, zum Beispiel an der Ostsee in einem Hafen für Jachten. Neben der orangen Farbe für eine Jacht, wurde mit Uranin, welches unschädlich ist, aber schön giftig aussieht, das Wasser gefärbt, um die toxische Gefahren für die Umwelt durch diesen überflüssigen Luxus, zu symbolisieren.

 

Die Kombination von den niedrigschwelligen Protestmärschen, die sich positiv auf die  hochschwelligen gezielten Aktionen beziehen, hatte revolutionäres Potential. Zumal die Aktionen gegen die (Super-)Reichen breiten Anklang fanden, wahrscheinlich weil sie ein grundsätzliches (Un-) Gerechtigkeitsempfinden angesprochen haben, nicht nur weil die Reichen unverhältnismäßig viel zur Erderhitzung beitragen. Trotzdem waren auch diese Aktionsformate irgendwann ausgereizt aus dem üblichen Grund: Es haben sich einfach nicht genug Leute angeschlossen. Etwas gut zu finden und es selber zu machen sind halt doch zwei verschiedene Paar Schuhe. Grade die Wildbienen sind ein großes Risiko eingegangen und viele werden wahrscheinlich ihr Leben lang in irgendeiner Weise mit den Repressions-Folgen zu tun haben.

 

 

 

 

Herbst 2023 Wendepunkt in Berlin

 

Nachdem im August eine weitere Kampagne „100 nach Bayern“ gelaufen war wobei Menschen (in Bayern) immer und immer wieder Straßenblockaden durchführten nach dem Motto - wir kommen genau dahin, wo die Repression am unverhältnismäßigsten zuschlägt- wurde im Herbst 23 dann der sogenannte Wendepunkt in Berlin eingeläutet. Plan war mit so vielen Menschen wie möglich so viele Blockaden durchzuführen wie möglich. Damit sollte der nötige Druck aufgebaut werden, die Politik zu konsequenten Klimaschutzmaßnahmen zu bringen. Gewagter Plan, der leider nicht wirklich das anvisierte Ziel erreichte. Es fanden zwar zeitweilig schon viele Blockaden statt, aber lange nicht genug. Vielleicht war überschätzt worden wie viele Menschen sich dorthin mobilisieren lassen. Ich gehörte jedenfalls zu denjenigen, die nur ab und an am Wochenende vor Ort sein konnten. Einmal hatte ich mit eine ganze Woche freigeschaufelt und mich in einem Hostel eingebucht, aber fühlte mich doch oft überfordert von der großen Stadt, dem herausfordernden Protest, den Schwierigkeiten mit der Infrastruktur. Im Gegensatz zu früheren Aktionsphasen war es nicht so einfach mit der Unterbringung und Räumen zum Zusammenkommen. Ein Zirkuszelt, indem allerdings auch Kulturveranstaltungen stattfanden, konnte zeitweilig genutzt werden, aber wurde später wieder gekündigt. Die Bedingungen dort für die Küche für alle, die Küfa, waren alles andere als einfach. Trotzdem schaffte es das Team jeden Tag aus geretteten Lebensmitteln, in riesigen Kesseln, ein veganes Menü für 50-100 hungrige, abgekämpfte Menschen zu kochen.

 

Obwohl ich es ja bereits aus Hamburg kannte, hat mich doch erstaunt wie wenig solidarisch sich die linke Szene verhalten hat. Den in Berlin gibt es eigentlich sehr viele ehemals besetzte Häuser, Wohnprojekte, politische Kulturräume wie den Mehringhof, trotzdem war es schwierig irgendwo unterzukommen. Unterstützung gab es dagegen von einigen Kirchengemeinden.

 

Der Höhepunkt war die Besetzung der Straße des 17. Juni mit über 1000 Leuten, von denen sich auch viel anklebten. Ich war mit den wunderbaren Leuten von der Gesundheitsbezugsgruppe dort, die sich sehr gut um uns Auswärtige kümmerten, fürsorglich ,wie Leute aus diesem Bereich eben oft so sind. Als Menschen aus dem Gesundheitsbereich führten wir auch einige schöne Proteste durch, mit dem Schwerpunkt auf den Gesundheitsgefahren durch die Klimakrise. Allerdings erzielten sie viel wenig Aufmerksamkeit, weil sie halt nicht so konfrontativ waren.

 

Manche Protestmärsche kamen mir mitunter geradezu surreal vor. Mit vielleicht 150 Menschen in dieser riesigen Stadt den Wendepunkt in der Klimapolitik zu fordern fühlte sich nicht sehr erfolgversprechend an und war es dann auch leider nicht.

 

 

 

Anfang 2024 Doppelmoralblockade in Bremen, letzte Klebeblockade

 

Knapp bevor das Ende der Klebeblockaden eingeläutet wurde habe ich es dann nochmal geschafft. Kurz nach der Räumung von Lützerath wollte ich mich an den Lachivismus-Aktionen im Zusammenhang mit den sogenannten „Bauernprotesten“ beteiligen. Das fanden wir eigentlich gar nicht lustig, dass die Landwirte so viel verständnisvoller behandelt wurden als wir, obwohl sie mit ihren Protestaktionen sehr ähnlich, nur noch massiver* unterwegs waren.

 

Um dieses Messen mit zweierlei Mas auf die Schippe zu nehmen, gab es von unserer Seite Blockade-Aktionen mit Trecker, auch Doppelmoral-Blockaden genannt. Dafür fuhr ich bei klirrender Kälte, Anfang Januar, mit dem Zug nach Bremen, im Gepäck einen Spielzeugtrecker meines Sohnes. Zusätzlich zu den Spielzeugtreckern gab es große Bilder mit Traktoren darauf, nach dem Motto: „Nun wissen wir endlich was für eine Protestform den Mächtigen gefällt – (fast) alles ist erlaubt, Hauptsache es ist ein Trecker mit dabei.“ Abgesehen davon war es eine klassische Klebeblockade, angeleitet von I., einer mehrfachen Mutter, die auch diese Blockade mit mütterlicher Fürsorge („Seid ihr auch alle warm genug angezogen?“) und Strukturiertheit (Es gab eine vorbildliche Rettungsgasse, die bei Bedarf sofort geöffnet wurde) anleitete. Abgesehen von der Kälte, die schon herausfordernd war, da wir mehrere Stunden dort festklebten, war es vergleichsweise entspannt und unaufgeregt.

 

Beim Lösen habe ich dann lieber ein bisschen mitgeholfen, da der Beamte offensichtlich nicht sehr professionell war. Nach einem gemeinsamen Aufenthalt in der Sammelzelle und einer recht umständlich- langwierigen Beweisaufnahme, mit formaler Befragung, konnten wir immerhin noch nachts mit dem Zug zurück fahren. Nur die bedauernswerte A. ist auf dem Weg nach Hannover irgendwo auf der Strecke hängen geblieben und musste die eisige Nacht in einem Kleinstadt-Bahnhof verbringen, bis sie mit dem ersten morgendlichen Zug weiter fahren konnte.

 

Die Mühlen der Justiz jedenfalls mahlen in Bremen langsamer als in Hannover. Nun 11/2 Jahre später ist noch kein Termin für das Gerichtsverfahren in Sicht, nur das es eins geben wird steht außer Frage, obwohl wir doch Trecker dabei hatten, aber das ist wohl etwas anderes für Klimaschutz und Allgemeininteressen zu protestieren, das muss natürlich bestraft werden.

 

 

 

*mit ihren schweren Maschinen konnten sie alles Mögliche blockieren, ohne Beschimpfungen und Repression zu bekommen, obwohl sie eher weniger umsichtig agierten, ohne Rettungsgasse und sogar Gülle auf Autobahnen ausschütteten, dadurch schwere Unfälle verursachten.

 

 

 

Februar 2024 Prozess in Hannover

 

Beim juristischen Nachspiel von dem Protest bei der Regionalversammlung vor einem Jahr, hat sich Hannover noch einmal von der aufgeschlossenen Seite gezeigt, in Form einer Richterin. Frau Dr. P äußerte den legendären Satz: „Wir müssen doch alle gemeinsam sehen wie wir eine Klimakatastrophe verhindern.“ Damit begründete sie das vergleichsweise milde Urteil, mit dem sie uns zu einer Putzaktion verdonnerte, bei der wir die Farbreste der Sprühkreide entfernen sollten. Sie wollte auch, dass die Regionalversammlung uns einladen und unser Anliegen anhören sollte (was damals ja leider nicht möglich, da bin ich mehr oder weniger nieder gebrüllt worden). Leider war der Versammlungsleiter sehr stur dagegen, so dass er mit der Richterin aushandelte, dass wir nur einen Brief* an die Abgeordneten schreiben sollten. Ob sie ihn gelesen haben.. (?), eine Antwort haben wir jedenfalls nie erhalten, dabei hatten wir uns große Mühe damit gegeben.

 

 

 

Den anderen Teil des Urteils dann praktisch umzusetzen war ziemlich holperig, erst hat es noch Monate gedauert bis wir endlich vor Ort tätig werden konnten, dann war dort kaum Farbe zu sehen, aber die Wand reagierte auf unser Putzmittel und wir konnten die Angelegenheit nicht zu Ende bringen. Darüber haben die lokalen Medien dann sehr viel ausführlicher berichtet, als über den Anlass unserer Aktion. Ein Phänomen was es uns immer wieder erschwert unsere Botschaft zu vermitteln: Über den Ablauf der Proteste wird mit viel Kritik berichtet (teils wahr, teils unwahr), aber der Grund der Proteste wird, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt.

 

 

Frühjahr 2024: Das Projekt EU Wahl Kandidatur - ohne mich

 

Schockschwerenot, was für eine blöde Idee bei der EU Wahl mitzumischen, aber so ist es eben in einer hierarchischen Organisation: manchmal treffen die Spitzenleute Entscheidungen die den ein oder anderen Untergeordneten nicht in den Kram passen. In diesem Fall passte diese Entscheidung mir so gar nicht, ich habe sie für einen taktisch-politischen Fehler gehalten und sehe es auch im Nachhinein so. Den Parlamentarismus, berechtigterweise, als unzureichend zu kritisieren und Gesellschaftsräte zu fordern und gleichzeitig für eins zu kandidieren finde ich unpassend. Außerdem war mir klar, dass der „Wahlkampf“ viel Energie vom zivilen Ungehorsam abziehen würde, bei geringen Erfolgsaussichten. Anders als bei einem Lohnarbeitsjob hatte ich die Möglichkeit mich zu distanzieren, also fürs Erste nicht (mehr) mitzumachen. Ich habe zwar nicht gleich alles hin geschmissen, aber meinen Pressearbeit ausgesetzt. Dadurch hat sich erstmal eine Leere aufgetan und ich habe mich etwas verloren gefühlt. So für eine Sache zu brennen und dann auf einmal ist alles anders, das hat mit schon etwas den Boden unter den Füßen weg gezogen. Einige Zeit mal etwas runterfahren war dann allerdings gar nicht so übel, nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte. Ich nahm ab und an bei ungehorsamen Versammlungen teil und hatte ansonsten wieder bisschen mehr Zeit für Familie und Freundinnen, bis die Sache dann durch war (die nicht sehr überraschend mehr oder weniger gefloppt ist).

 

 

 

Frühsommer: 2024 Denkzettel bei Exxon

 

Nachdem die EU Wahl Kampagne dann vorbei war stieg auch meine Motivation mich wieder mehr zu beteiligen. Direkt bei den Hauptverantwortlichen aufzuschlagen war mir schon immer am liebsten. Ein gutes Aktionsformat waren die sogenannten Denkzettel-Proteste. Dabei geht es mit Kleister und Plakaten zu einem Büro oder Firmensitz von denjenigen die die Welt verbrennen. Um Ihnen einen Denkzettel zu verpassen werden die Plakate, auf denen harte Klimafakten und Verantwortung benannt werden, an die Fassade geklebt.

 

In diesem konkreten Fall ging es zu Exxon, einem Konzern der sich neben Shell, BP, Gazprom u.a. besonders hervortut den fossilen Wahnsinn auf die Spitze des Profits zu treiben. Historisch ist Exxon ebenfalls hauptverantwortlich dafür, dass die Gefahren die durch das Verbrennen fossiler Energie entstehen so lange verheimlicht wurde.

 

Begleitet von einer männlichen „Hummel“ haben wir mit vier Frauen dort schön herum gekleistert. Außerdem hatten wir ein Megaphon dabei und erklärt was für Dreck am Stecken dieser Konzern hat.  Die Polizei kam erst nach etwa 10 Minuten, obwohl die Wache gleich gegenüber ist, sie hatten nicht allzu viel Ehrgeiz uns von unserem Protest abzuhalten und ließen uns noch weitere 10 Minuten gewähren.

 

 

 

Sommer 2024: Momentum ungehorsame Versammlung in Bremen

 

Nach wie vor ging es darum Aktionsformen des Widerstandes zu entwickeln, die mehr Menschen motivierten sich zu beteiligen. Es reichen zwar wenige Menschen um die Welt zu verändern, aber zu wenige dürfen es halt auch nicht sein. Und leider waren wir nach wie vor zu wenige. Die ungehorsamen Versammlungen waren, ähnlich wie die Protestmärsche, ein niedrigschwelliges Widerstandsangebot. Sehr ähnlich wie damals bei den Anfängen von extinction rebellion (xr) ging es einfach darum mit möglichst vielen Menschen eine Straße oder Kreuzung zu besetzen. In einigen Städten, unter anderem auch in Bremen, ist es verschiedentlich erfolgreich durch geführt worden. Mit dabei ein sehr entzückender Elefant aus Pappmasche. Den das Motto war: Hallo hier ist ein Elefant im Raum!(Elefant = Klimakrise)… . Ähnlich wie zu den Zeiten von xr wurde auch gesungen,  getanzt und auf der Straße Schach und anderes gespielt.

 

 

 

Herbst 2024: Anti-Flughafen-Kampagne und Proteste in Kassel

 

Ursprünglich war für den Herbst eine weitere Protestwelle in Berlin vorgesehen. Doch einerseits waren in Laufe des Jahres sehr brutale Polizeireaktionen auf Proteste dort  üblich geworden und anderseits war absehbar, dass es unter diesen Bedingungen schwierig sein würde viele Leute dorthin zu mobilisieren. Daher hatte sich die Kerngruppe für einen anderen Ort entschieden: Kassel. Warum nun ausgerechnet Kassel? Nun ja,  praktischerweise liegt Kassel ungefähr mittig von Deutschland und hat einen ICE Bahnhof was die Anreise erleichtert. Außerdem hat Kassel in Calden den beklopptesten Flughafen ever, unwirtschaftlich und vorrangig für Privatjets nutzbar, frisst er die Steuergelder der Region. Außerdem ist fliegen (in Flugzeugen)  nun mal die mit Abstand klimaschädlichste Art der Fortbewegung. Daher wurde entschieden die begrenzten Kräfte für eine Kampagne gegen den Flughafen Kassel-Calden zu nutzen. Es gab ein Camp, leider eine schlecht-Wetter-Phase, Austausch, Begegnung und selbstverständlich jede Menge Aktionen des zivilen Widerstandes. Von Denkzettel, über Autobahn-Blockaden, ungehorsame Versammlungen, Plakatieren, konfrontieren….Ich quartierte mich bei einer Freundin in Göttingen ein und pendelte mit dem Zug hin und her, kam allerdings schnell an die Grenze meiner Kräfte. Mein Alter, meine Nervosität, im Vergleich mit anderen, die unter rauen Bedingungen campten und dann noch krasse Proteste machten, kam ich mir recht zart besaitet vor. Ein Problem welches ich immer mal wieder empfunden habe, mehr beitragen zu wollen, als ich bewältigen konnte. Meine Aktivität beschränkte es sich auf einige ungehorsame Versammlungen und ein bisschen plakatieren. Außerdem habe ich wie alle etwas im Camp mitgeholfen. Kassel war ein guter Ort für Protest-„Urlaub“. Überschaubarer als Berlin, weniger Aggressionen uns gegenüber, oftmals sogar Zustimmung. Wir schafften es das Thema auf die Tagesordnung zu setzen und die Legitimation für diesen Flughafen deutlich in Frage zu stellen. Den Flughafen abzuschaffen das schafften wir nicht. Schade, ein konkretes Erfolgserlebnis hätte der Bewegung wirklich gut getan. Doch dafür hätten sich viel mehr Einheimische anschließen müssen. Zustimmung allein reichte wie immer nicht. Hat sich trotzdem gelohnt, alleine schon die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, die Workshops, der emotionale Austausch hat sehr gut getan. Außerdem ist es selten so, dass Proteste konkrete Erfolgsergebnisse erzielen, was es schwer macht durchzuhalten, aber nicht heißt das sie nichts bewirken. Oftmals eben nur indirekt und auf Dauer gesehen. Und den eigenen inneren Werten entsprechend zu handeln ist immer gut, auch wenn wir uns wie Rufende in der Wüste dabei fühlen.

 

 

 

November 2024: Bündnis Protestete gegen LNG

 

Dann doch nochmal Proteste in Berlin. Die letzten Aktionen fanden dort statt, im Rahmen von einem Bündnis mit anderen Gruppen (wie greenpeace, Ende Gelände), gegen ein Lobbyisten event von Managern des LNG mit Vertretern der Regierung. LNG ist die Abkürzung für… Dieses Verfahren ist, abgesehen davon das Gas grundsätzlich die Erderhitzung befeuert, zusätzlich enorm belastend für die Natur. Denn das Gas wird quasi aus der Erde gepresst, wobei auch giftige Stoffe zum Einsatz kommen. Der Transport führt dann wiederum zu großen Schäden, beispielsweise auf Rügen, wo ein großer Anlieferungsterminal an der Ostsee-Küste gebaut werden soll. Es ließe sich ein ganzes Buch darüber schreiben welche Verwüstungen durch LNG angerichtet werden, auf jeden Fall gab es viele Gründe gegen das Meeting der des im Luxushotel Adlon zu protestieren.

 

Die bewährte Methode ein Fahrzeug in die Blockade zu integrieren und sich daran festzumachen, wurde wieder angewendet. Außerdem gab es Performances, Farbproteste, Demonstrationen.

 

Allerdings hatte sich die Polizei in Berlin, im Laufe der letzten 2 Jahre, brutalisiert im Umgang mit friedlichen Protest. Es war schon oftmals die Erfahrung gemacht worden, dass jede Versammlung und Blockade sofort rabiat abgeräumt wurde, seit die Klebe-Blockaden beendet worden waren.

 

So kam es leider auch im Zusammenhang mit diesen Protesten zu Schmerzgriffen, Abreißen von der Hände von Leuten die sich (ausnahmsweise mal wieder) festgeklebt hatten. Zierliche, junge Frauen wurden von den Beamten gepackt und weg geschleudert. Es gab es viele Verletzte und traumatisierte Menschen. Ein Polizist, der selber durch hartes Vorgehen aufgefallen war, beklagte sich, dass er im Gerangel einen Stoß abgekriegt hätte und verkündete jederzeit wieder Schmerzgriffe anwenden zu wollen. Eine Herausforderung für Anhänger:innen der gewaltfreien Kommunikation.. .

 

Im Gemeindesaal einer solidarischen Kirche konnten wir uns erholen. So viele Schuhe vor einer Tür habe ich noch nie gesehen. Die Küfa-Crew hatte mal wieder unglaubliche Mengen an wunderbarem, veganem Essen zubereitet. Es war sehr wohltuend, nach dem heftigen Ereignissen die Gemeinschaft mit so vielen zu erleben. Allerdings wurden auch die unterschiedlichen Herangehensweisen der beteiligten Gruppen deutlich. Als ein solidarischer Film-Mensch einige Aufnahmen machen wollte, haben sich die Gefährten von Ende Gelände sehr deutlich, eigentlich sogar ziemlich unfreundlich, dagegen ausgesprochen. Das Konzept, mit Name und Gesicht zum Engagement zu stehen, teilen sie nicht und versuchen möglichst anonym zu bleiben.

 

 

 

Weihnachten 2024: this is the end

 

Nachdem schon die letzte Generation in Österreich erklärt hatte einen Schlusspunkt zu setzen, kam es dann auch in Deutschland zu diesem Schritt. Wobei sich die Kerngruppe große Mühe gegeben hat die Entscheidung möglichst verkraftbar zu vermitteln. Trotzdem war es ein trauriger Moment.  Viele hatten sehr viel Zeit, und Kraft in den Widerstand gegeben, Strapazen und Repression auf sich genommen, in der Hoffnung einen Umschwung  in der Politik und Gesellschaft, hin zu konsequentem Klimaschutz zu erreichen. Es war definitiv nicht gelungen die nötige kritische Masse zu mobilisieren um die so dringend notwendige Änderungen durch die Politik durchzusetzen. Im Gegenteil viele Menschen scheinen angesichts der zunehmenden Krisen überfordert und ziehen sich ins Privatleben zurück. Zudem gewinnen rechtsextreme und faschistische Kräfte an Macht. Die Erderhitzung hat 2024 die Grenze von 1,5° überschritten, die Folgen davon waren in vielen Teilen der Erde deutlich geworden, aller Wahrscheinlichkeit nach sind die ersten Kipppunkte dabei zu kippen. Das Schmelzen vom westantarktischen Eisschild und dem Eis in Grönland gilt aus unaufhaltsam. Die Erde wird sich verändern und viele Menschen und andere Lebewesen werden ihre Existenzgrundlage verlieren. Gleichzeitig haben die Verleumdungskampagnen und die massive Repression ihre Spuren hinterlassen

 

Daher war es stimmig zu sagen: „ Wir sind nicht mehr die letzte Generation vor den Kipppunkten.“

 

 

 

Was alles fehlt: viele krasse & wunderbare Wildbienen-Aktionen, die ungehorsame Versammlung im April 2024 in Hamburg, der Hungerstreik von Wolli und Gefährten, die vielen Trainings, Begegnungen, Kontakte zu so vielen tollen engagierten Menschen, einiges Organisatorisches, der Konflikt um die Äußerungen von R.Hallam, andere Konflikte, die Filme von P., die vielen Prozesse die ich begleitete, das ein oder andere was ich der Polizei nicht unbedingt unter die Nase reiben will und noch einiges mehr…..

 

 

Frühjahr 2025: beständig widerständig, denn Aufgeben ist keine Option

 

Nicht mehr die letzte Genration vor den Kipppunkten zu sein heißt allerdings  nicht komplett aufzugeben. Wenn auch die Klimakatastrophe unausweichlich ist, so zählt doch trotzdem jedes 10ntel Grad mehr oder weniger. Es zählt ebenso den eigenen Werten treu zu bleiben und weiter für Gerechtigkeit, sowie Mitgefühl und Respekt gegenüber allen Lebewesen einzutreten. Friedlicher, ziviler Widerstand bleibt unser gemeinsamer Pfad. Denn dieses System hat sich als unfähig erwiesen auch nur ansatzweise die notwendigen Korrekturen umzusetzen. Daher muss das System verändert werden und das kann nur dadurch geschehen, dass Menschen das System in Frage stellen, indem sie sich nicht an dessen Regeln halten. Auf dem Pfad des Widerstandes gibt es allerdings einige parallele Wege. Die neue Generation und das Widerstandskollektiv, als Nachfolgegruppen der letzten Generation, sind zwei davon. Seit März 2025 sind diese am Start und dabei sich neu aufzustellen in einer sich zuspitzenden Situation, sowohl gesellschaftlich-politisch, als auch ökologisch-klimatisch. Jetzt aufzugeben wäre wirklich nicht richtig. Es geht erst richtig los.

Übrigens ein Krafttier der Revolution ist das Zebra.